Glosse von Petra Mader
Petra Mader war lange Zeit Mitglied im Winsener Schwimmverein. Seit 2006 wohnt sie in Jena. Sie beschreibt die damalige Freitags-Abend-Runde im Schwimmerheim.
Auch ich, ein Mitglied!
Über die Deutschen und ihre Vereine ist schon viel gelästert worden. Schwer ist das nicht. Aber seien wir doch einmal ehrlich: Wo wäre ich denn ohne meinen Verein?
Freitagabends zum Beispiel. Wenn wir nach dem Training im Vereinsheim sitzen, Astra trinken und ich mehr über die Zeugung von Boris Anna und Beckenbauers Malörchen erfahre?
Zuhause wäre ich. Frustriert wäre ich. Vielleicht schon wieder weg und mein Mann ein Pendler und die Kinder fast ohne Vater. So wäre das, ohne meinen Verein.
Es biedert sich schließlich keiner an hier. Zum Beispiel die mit der Dauerwelle. Hat doch nie eine Miene verzogen, egal wie oft wir uns beim Kinder-Bringen, beim Auf-die-Kinder-Warten und beim Kinder-Holen gesehen haben. Vielleicht wenn ich den Geburtsvorbereitungskurs hier am Krankenhaus nicht versäumt hätte oder damals auf der Tupperparty wenigstens die Preludio-Schlemmer-Runde bestellt hätte.
Hier habe ich es richtig gemacht. Habe mir Freitag für Freitag mit Delphinbeinschlag in Rückenlage und unter Wasser Nasennebenhöhlen und Ohren mit Wasser gefüllt und mich nicht lange bitten lassen, als man mir sagte: „Komm setz dich“. Am Tischende, rechts vom Vorstand ist mein Platz. Ein Bier steht schon da, wenn ich komme. Und die Fatburner. Unser Trainer sagt nämlich, Erdnüsse verbrennen bei der Verdauung mehr Fett als sie enthalten. Und obwohl keine Waage das bis heute bestätigt hat, hält sich das Gerücht hartnäckig. Der erste Rollgriff gebührt dem Trainer, dann wandert die Büchse.
Unser Vereinsheim ist noch ein echtes. Auf den Borden drängen sich die Pokale aus 50 Jahren Vereinsgeschichte und an den Wänden hängen die Zinnteller und Uhren mit Rehen, Wald und Bergen rund ums Ziffernblatt und die Fotos aus früheren Zeiten. Ich weiß inzwischen, dass die Flutmulde früher ein Freibad war und wer der lange Dünne in der 2. Reihe ist. Sogar eine Olympiateilnehmerin hat unser Verein hervorgebracht. Unser Trainer sagt, die erfolgreichste deutsche Schwimmerin nach dem Krieg. Eine Vereinslegende also und mittlerweile AK 40. Altersklasse 40 heißt das, und zu der gehöre ich auch. „Was, die ist schon so alt wie du“, sagt der Trainer.
Ich sage: „Sport muss vor allem Spaß machen“, und was anderes bleibt mir ja auch nicht übrig, wenn die Legende beim kreisoffenen Masters-Wettkampf drei Europarekorde schwimmt. Der erste Platz für sie, der zweite Platz für mich und dazwischen Welten.
Ach übrigens, hatten wir heute schon einen Flachen? Ein Flacher gehört dazu. Zum Beispiel der vom Damenbrustkraulen, dem Lieblingsschwimmstil aller Männer. Das ist der Klassiker.
Ich dagegen lasse beim Delphinschwimmen jetzt die Arme vorne liegen und halte die Füße dicht beieinander und einen Scheidebecher haben wir ja noch. In meinem Verein.
Autor: Petra Mader